Erinnerungsort > Helgoland
Die Kolonialmacht Großbritannien besetzte mit Helgoland einen Teil des Herzogtums Schleswig und führte es fast ein Jahrhundert lang als ihre Kronkolonie: von 1807 bis zur Übernahme durch das deutsche Kaiserreich 1890. Im Allgemeinwissen der deutschen Bevölkerung liegt die Formel von einem damaligen Tausch der Nordseeinsel Helgoland gegen Sansibar bis heute fest verankert.
Richtig ist lediglich, dass es 1890 sowohl bezüglich Helgoland als auch Sansibar eine vertragliche Einigung mit der Kolonialmacht England gab. Im „Wettlauf um Afrika“ war ein unübersichtliches und unklares Geflecht an Einflussgebieten und kolonialen Besitzungen entstanden, das auch durch die sogenannte Kongo-Konferenz in Berlin noch nicht zufriedenstellend geregelt wurde. Um die noch fraglichen Punkte zu verhandeln, trafen sich die britische und die deutsche Kolonialmacht und formulierten einen Vertrag zur Bereinigung der Verhältnisse in den Kolonialgebieten. Helgoland und Sansibar waren hierin aber weder die eigentlich neuralgischen Punkte der Verhandlungen, noch besaßen sie eine direkte vertragliche Relation. Entgegen der historischen Tatsachen hat sich in der Rezeption von Helgoland als kolonialen Erinnerungsort dennoch ein simples Tauschgeschäft etabliert.
Diesen direkten Tauschbezug konstruierten deutsche Kolonialapologeten, die im Vertrag mit dem großen Rivalen enttäuscht das Ende der kolonialen Expansion auf dem afrikanischen Kontinent zu erkennen glaubten. Obwohl das freie Sultanat Sansibar nie deutsches Schutzgebiet war, also auch keinen Tauschpfand darstellten konnte, empfanden sie den Verzicht auf jeglichen Einfluss als „Verlust“ der Insel. Sie verurteilten die Einigung populistisch als den Tausch eines „nagelneuen Anzugs gegen einen alten Hosenknopf“. Durch die Presse verbreitet und in Schulbücher übernommen, wurde aus dem „Vertrag zwischen Deutschland und England über die Kolonien und Helgoland“ schlicht der „Helgoland-Sansibar-Vertrag“, der so verkürzt die Geschichtslegende einer Substitution vermittelt. [MP]
Helgoland ("Heligoland") im British Colonial Pocket Atlas 1887 (Quelle: Museum Helgoland):
LiteratuLiteraturtipps:
- Andreas Birken: Der Helgoland-Sansibar-Vertrag von 1890. in: Internationales Jahrbuch für Geschichts- und Geographie-Unterricht. Bd. 15, 1974, ISSN 0074-9834, S. 194–204.
- Martin Krieger: Die Geschichte Helgolands. Wachholz Verlag 2015. ISBN-13: 978-3529076015
- Heinz Schneppen: Der Helgoland-Sansibar-Vertrag von 1890. in: Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande – Eine Spurensuche in Deutschland. Sutton Verlag, Erfurt 2007, ISBN 978-3-86680-269-8, S. 185–189.
Helgoland,
54.1803268, 7.8889438